Wie in unserem vorherigen Artikel zusammengefasst, sind solide Tumoren abnormale Gewebemassen, die sich in Organen durch unkontrolliertes Zellwachstum entwickeln. Traditionelle Biopsien liefern zwar wertvolle Informationen, haben jedoch erhebliche Einschränkungen: Sie erfassen nur einen kleinen Teil des Tumors, sind invasiv und risikobehaftet und liefern lediglich eine Momentaufnahme, wodurch die Überwachung von Krankheitsverläufen oder Therapieansprechen erschwert wird. Diese Herausforderungen haben zur Entwicklung minimal-invasiver Liquid Biopsies geführt, die wiederholte Messungen bei geringerer Belastung für die Patient:innen ermöglichen. In diesem Artikel geben wir einen Überblick über aktuelle Daten zur Liquid Biopsy-basierten Beurteilung minimaler Resterkrankung (englisch: Minimal Residual Disease, MRD) bei Darmkrebs, Brustkrebs und Lungenkrebs.
Kolon- und Kolorektalkarzinom
Während sich das Kolonkarzinom spezifisch auf bösartige Tumoren im Dickdarm bezieht, umfasst der Begriff kolorektales Karzinom (englisch: colorectal cancer, CRC) sowohl Kolon- als auch Rektalkarzinome. Gemeinsam zählen sie zu den weltweit häufigsten malignen Tumorerkrankungen und geben zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) in den Blutkreislauf ab [1]. Obwohl CRC häufig in einem frühen Stadium (I–III) diagnostiziert wird, kommt es trotz erfolgreicher Behandlung bei 30–40% der Patient:innen zu einem Rückfall, wobei etwa 80% dieser Rezidive innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Operation auftreten [4]. Die Überwachung minimaler Resterkrankung mittels ctDNA kann hier eine entscheidende Rolle spielen: Sie ermöglicht es, Patient:innen zu identifizieren, die sicher auf eine adjuvante Chemotherapie verzichten können, und unterstützt gleichzeitig eine frühzeitige therapeutische Intervention bei Patient:innen mit erhöhtem Rückfallrisiko [1,2].
Während das Vorhandensein von ctDNA nach der Resektion bislang noch nicht zuverlässig vorhersagen konnte, welche Patient:innen tatsächlich von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren würden [3], ermöglichte eine ctDNA-Negativität nach abgeschlossener Behandlung die Identifizierung von rückfallfreien Patient:innen, die somit eine unnötige Chemotherapie vermeiden konnten [4]. Umgekehrt kennzeichnete eine ctDNA-Positivität nach definitiver Therapie oder Operation Patient:innen mit einem erhöhten Rückfallrisiko und sagte ein Rezidiv frühzeitig voraus – bis zu neun Monate, bevor dieses in der konventionellen Bildgebung sichtbar wurde [5–9]. Zudem lässt sich die Genauigkeit ctDNA-basierter MRD-Tests weiter erhöhen, indem genomische und epigenomische Informationen kombiniert und serielle Messungen durchgeführt werden [10].
Brustkrebs
Brustkrebs ist eine hochgradig heterogene Erkrankung, die aus mehreren molekularen Subtypen besteht und unterschiedliche therapeutische Ansätze erfordert [1]. Trotz bedeutender Fortschritte in der Früherkennung und systemischen Therapie, unter Einbeziehung wichtiger molekularer Marker [11-13], bleiben späte Rezidive ein erhebliches Problem. ctDNA hat sich als vielversprechender Biomarker zur Überwachung minimaler Resterkrankung (MRD) und zur Therapiesteuerung bei Brustkrebs etabliert [1]. Der Nachweis von ctDNA ist konsistent mit schlechteren klinischen Ergebnissen verbunden, einschließlich verkürzter Gesamtüberlebenszeit, progressionsfreier Überlebenszeit und krankheitsfreier Überlebenszeit [14,15].
Serielle ctDNA-Analysen ermöglichen die Erfassung residualer Tumorlast nach der Operation, die Bewertung des molekularen Therapieansprechens und die frühzeitige Identifizierung von Patient:innen mit hohem Rückfallrisiko – oft mehrere Jahre vor der Erkennung durch konventionelle Bildgebung (bis zu 5,7 Jahre) [16–18]. Hochsensitive, personalisierte serielle ctDNA-Analysen können somit einen zeitlichen Vorsprung von mehreren Jahren vor einem klinischen oder radiologischen Rezidiv liefern [16–19]. Allerdings kann eine neoadjuvante Chemotherapie die ctDNA-Spiegel rasch senken, sodass unmittelbar nach der Operation keine MRD nachweisbar ist [20].
Lungenkrebs
Lungenkrebs bleibt eine der weltweit führenden Ursachen krebsbedingter Todesfälle [21]. Es handelt sich um eine heterogene Erkrankung mit unterschiedlichen Subtypen, wobei das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (englisch: Non Small Cell Lung Cancer, NSCLC) etwa 85% aller Fälle ausmacht und das kleinzellige Lungenkarzinom (englisch: Small Cell Lung Cancer, SCLC) den Rest [21]. Patient:innen mit NSCLC im Frühstadium haben eine relativ günstige 5-Jahres-Überlebensrate von etwa 75%, die jedoch in fortgeschrittenen Stadien deutlich abnimmt. Tumoren in Stadium III und IV sind häufig nicht operabel. Zudem erleiden 20–50% der operierten Patient:innen ein Rezidiv, was die Notwendigkeit einer frühzeitigen Erkennung und schnellen therapeutischen Intervention unterstreicht [22]. Ein wichtiger Meilenstein in der ctDNA-basierten Diagnostik war 2016 die FDA-Zulassung des ersten Liquid Biopsy-Assays – eines PCR-basierten Tests für NSCLC [23]. Seitdem konzentriert sich die Forschung zunehmend auf das ctDNA-Monitoring, um Therapieansprechen zu bewerten, MRD zu erkennen und die Therapie zu steuern.
Obwohl ctDNA-Genotypisierung bereits gut etabliert ist, um die Therapieauswahl und -optimierung bei NSCLC zu unterstützen [24–28], bleibt die Sensitivität ctDNA-basierter MRD-Tests zur Erkennung von Rezidiven nach Operation oder systemischer Therapie begrenzt. Besonders in Stadium I weisen die Tests Sensitivitäten zwischen 15% und 61% auf [22]. Eine longitudinale Überwachung und die Einbeziehung einer größeren Anzahl mutationsspezifischer Marker pro Patient:in kann die MRD-Erkennungsrate erhöhen, jedoch bleibt die Testleistung stark abhängig von Assay-Technologie und Tumorstadium [22,29]. Trotz dieser Einschränkungen korreliert das Vorhandensein von ctDNA nach Tumorresektion oder adjuvanter Therapie konsistent mit einem erhöhten Rezidivrisiko und einer verkürzten Überlebenszeit. Im Gegensatz dazu ist das Verschwinden von ctDNA mit längeren Überlebenszeiten verbunden. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass ctDNA-basierte MRD-Erkennung künftig als starker Surrogatmarker für Krankheitsaktivität und als wertvolles prognostisches Instrument bei resektierbarem NSCLC dienen könnte [22].
LIQOMICS
Bei LIQOMICS bieten wir CancerVistaan, einen ctDNA-basierten MRD-Assay, der für die zuverlässige Erkennung minimaler Resterkrankung bei soliden Tumoren mit hoher Sensitivität und niedriger Nachweisgrenze entwickelt wurde. Der Test steht als In-house IVD für Genotypisierung und MRD-Monitoring bei soliden Tumoren zur Verfügung. Bitte kontaktieren Sie uns für weitere Informationen.
Literatur
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