MRD bei soliden Tumoren
Unter minimaler Resterkrankung (minimal residual disease, MRD) versteht man eine geringe Anzahl von Krebszellen, die nach der Behandlung im Körper der Patient:innen verbleiben und zu einem Rückfall führen können. Aufbauend auf unserem vorherigen Artikel, in dem das Potenzial von Flüssigbiopsien als nicht-invasive Alternative zu herkömmlichen Gewebebiopsien von soliden Tumoren hervorgehoben wurde, erörtert dieser Artikel die spezifischen Herausforderungen der MRD-Erkennung bei soliden Tumoren und zeigt auf, wie aktuelle Fortschritte in der molekularen Diagnostik helfen, diese zu überwinden.
Herausforderungen der MRD-Erkennung bei soliden Tumoren
Im Vergleich zu hämatologischen Malignomen stellt der Nachweis von MRD bei soliden Tumoren eine besondere Herausforderung dar, was vor allem an den grundlegenden biologischen Unterschieden zwischen diesen Krebsarten liegt.
Intratumor-Heterogenität
Solide Tumore weisen im Vergleich zu Blutkrebs eine größere genetische Heterogenität auf, was bedeutet, dass Mutationen innerhalb verschiedener Regionen desselben Tumors stark variieren können [1]. Diese Variabilität erschwert nicht nur die Identifizierung und Verfolgung tumorspezifischer Mutationen, sondern auch die Analyse der MRD [2,3]. Im Gegensatz dazu entwickeln sich hämatologische Malignome aus Blut- oder Knochenmarkzellen, wo MRD-Marker, wie klonale Immunglobulin- oder T-Zell-Rezeptor-Rearrangements, in der malignen Zellpopulation konsistenter vorhanden sind [4].
Freisetzung von ctDNA
Im Gegensatz zu Blutkrebs, bei dem die Zellen im Blut zirkulieren, sind solide Tumoren auf bestimmte Organe beschränkt und geben in der Regel keine intakten Tumorzellen in den Blutkreislauf ab. Stattdessen hängt der MRD-Nachweis bei soliden Tumoren von der Analyse der zirkulierenden Tumor-DNA (ctDNA) ab, die beim Zelltod der Tumorzellen in das Blut abgegeben wird. ctDNA aus soliden Tumoren liegt generell schon oft in sehr geringen Konzentrationen vor, insbesondere aber in frühen Krankheitsstadien oder nach chirurgischen Eingriffen, was den Nachweis erheblich erschwert [5,6]. Darüber hinaus können verbliebene Krebszellen in einen Ruhezustand mit veränderter Stoffwechselaktivität übergehen, was die Interpretation der MRD zusätzlich verkompliziert [7,8].
MRD-Nachweisverfahren bei soliden Tumoren
Angesichts der Heterogenität und der geringen Häufigkeit von ctDNA im Blut von Patient:innen mit soliden Tumoren erfordert ihre Analyse hochempfindliche Methoden, die in der Lage sind, tumorspezifische genetische oder epigenetische Veränderungen in der Gesamtheit der zellfreien DNA nachzuweisen [8]. Bislang wurden mehrere Methoden entwickelt, um diesen Grad der Sensitivität zu erreichen [8–10]. Zielgerichtete Ansätze konzentrieren sich auf den Nachweis vordefinierter, krebsassoziierter Mutationen. Zu den Methoden zählen beispielsweise:
- Droplet digital PCR [11,12]: Bei dieser Technik wird eine Probe in Tausende von Tröpfchen in Nanolitergröße aufgeteilt. In jedem Tröpfchen werden einzeln detektierbare PCR-Reaktionen durchgeführt, wodurch die absolute Anzahl der Ziel-DNA-Moleküle mit Hilfe von Fluoreszenzdetektion und Poisson-Statistik bestimmt werden kann.
- BEAMing [11,13–15]: Steht für Beads, Emulsion, Amplifikation und Magnetik. Diese Methode kombiniert die Emulsions-PCR auf magnetischen Beads mit Durchflusszytometrie und ermöglicht die sensitive, relative Quantifizierung von Mutanten- und Wildtyp-DNA.
- Next Generation Sequencing (NGS) [16,17]: Eine Hochdurchsatztechnologie, die die schnelle, parallele Sequenzierung von Millionen von DNA-Fragmenten ermöglicht. Dies erlaubt eine umfassende Analyse von genetischen Mutationen, Genexpression und genomweiten Variationen mit hoher Empfindlichkeit und Genauigkeit.
- Verfeinerte Realtime-PCR (qPCR) Methoden [8]: Mehrere Fortschritte bei den qPCR-Techniken erlauben den schnelleren, kostengünstigeren Nachweis von Mutationen mit erhöhter Empfindlichkeit. Dazu gehören die allelspezifische PCR (AS-PCR), die allelspezifische, nicht verlängerbare Primer-Blocker-PCR (AS-NEPB-PCR), die Co-Amplifikation bei niedriger Denaturierungstemperatur (COLD-PCR) und die PCR-Klammern mit Peptid-Nukleinsäure-Locking (PNA-LNA).
Im Gegensatz dazu sind ungezielte Verfahren wie die Whole-Exome-Sequenzierung (WES) und die Whole-Genome-Sequenzierung (WGS) nicht auf vorab festgelegte Informationen über die Mutationsmuster des Primärtumors angewiesen. Dies ermöglicht eine unvoreingenommene, weitreichendere Erkennung genomischer Abweichungen [8].
Schlussfolgerung
Dank der jüngsten Fortschritte bei der Erkennung von ctDNA werden MRD-Tests auf der Grundlage von Flüssigbiopsien zu einem immer leistungsfähigeren Instrument für die personalisierte Behandlung von soliden Tumoren. Die Integration der MRD-Analyse in die klinische Praxis bietet großes Potenzial, therapeutische Entscheidungen zu präzisieren, Rückfälle frühzeitig zu erkennen und die Prognose der Patient:innen nachhaltig zu verbessern.
LIQOMICS & Unsere Dienstleistungen
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Autorin: Dr. rer. nat. Lisa Baum, Bioinformatikerin und Datenwissenschaftlerin, LIQOMICS
Literatur
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